„Maria durch ein Dornwald ging.“ Viele Menschen lieben die intensive Stimmung in diesem Adventslied, die Innigkeit von Maria und ihrem Kind, die einfachen Sätze.
Märchenhaft wirkt die Szene: Die schwangere Maria wandert durchs Gebirge zu ihrer Cousine. Dabei kommt sie durch einen Wald voller Dornen. Doch sobald Maria mit ihrem Kind den Wald betritt, geschieht das Wunder: Die Dornen verwandeln sich in Rosen.
Das Lied wurde vor 200 Jahren im Eichsfeld von Tür zu Tür gesungen. Es berührt eine alte Sehnsucht nach heilem Leben. Wer das Lied heute hört, wird vielleicht der Dornen im eigenen Leben wahr. „Nehmen wir‘s ruhig als Gleichnis. Die Welt: ein Dornenwald. Keiner kommt ohne Kratzer und Schrammen durch.“ So hat es der Theologe Horst Seibert formuliert. Wie viele Risse und Kratzer sammeln sich im Lauf eines Lebens an! Risse in unserer Seele, Traurigkeiten, Gemeinheiten. Wir kriegen sie selbst ab. Wir fügen sie anderen zu. Die Welt: ein Dornenwald. Das passt heute mehr denn je auch politisch. Für mich transportiert das Lied aber auch Hoffnung: „Da haben die Dornen Rosen getragen, Kyrie eleison. Als das Kindlein durch den Wald getragen, da haben die Dornen Rosen getragen. Jesus und Maria!“ Nehmen wir’s ruhig als Gleichnis. Die Adventszeit ruft die Hoffnung auf wirklich rosigere Zeiten wach: „Gott wird ausgetragen. Und die Welt wird erträglicher.“
Dr. Adelheid Ruck-Schröder, Regionalbischöfin des Sprengels Hildesheim-Göttingen