Generalkonvent im Sprengel Hildesheim-Göttingen zur KMU 6

Mon, 14 Oct 2024 22:00:00 +0000 von Jeanine Rudat

© Gunnar Müller
OKRn Dr. Friederike Erichsen-Wendt (EKD) hielt einen Vortrag zur KMU 6
„Wie hältst du's mit der Kirche?“ – Diese Frage, die einst Gretchen ähnlich im „Faust“ stellte, stellt sich heute für viele Menschen in Deutschland - innerhalb und außerhalb der Kirchen. Auch der Generalkonvent der Pastor:innen des Sprengels Hildesheim-Göttingen am 18. September in Hildesheim stand so in diesem Jahr unter dieser Frage. Denn die jüngst veröffentlichte sechste Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) gibt Einblick in die veränderte Beziehung der Deutschen zur Kirche und zum Glauben – und die Ergebnisse sind ernüchternd zugleich aber auch für die weitere Kirchenentwicklung aufschlussreich.

Darüber sprach Oberkirchenrätin Dr. Friederike Erichsen-Wendt (Referatsleitung Strategische Planung und Wissensmanagement bei der EKD) als Referentin auf dem Generalkonvent.
Zum ersten Mal wurde nicht nur eine repräsentative Befragung, nicht nur evangelischer und katholischer Kirchenmitglieder, sondern auch Menschen ohne Konfession und Mitglieder anderer Religionsgemeinschaften durchgeführt.

Die Erkenntnisse zeichnen ein klares Bild: Deutschland wird immer konfessionsloser. Schon jetzt gehören 43 Prozent der Menschen keiner Kirche mehr an, und der Trend hält an. Von den verbleibenden Mitgliedern der evangelischen und katholischen Kirche denkt eine hohe Zahl – zwei Drittel bzw. drei Viertel – über einen Austritt nach.

Die Untersuchung zeigt: Religiösität und Kirchenbindung gehen deutlich zurück. Die kirchlich Religiösen machen 13 Prozent der Bevölkerung in Deutschland aus. Dem stehen 25 Prozent religiös Distanzierte und 56 Prozent Säkulare gegenüber. Die kirchlich Religiösen sind vorwiegend ältere, gut situierte Menschen mit intaktem sozialen Umfeld. Sie sind oft noch Kirchenmitglieder und glauben an Gott, aber ihr Glaube ist eher skeptisch, kaum christlich geprägt und spielt in ihrem Alltag kaum eine Rolle. Die Mehrheit, 56 Prozent, hingegen sieht sich als säkular orientiert und hat keinen Bezug mehr zur Religion. Davon reagiert eine Gruppe von 36 Prozent bei religiösen Stichworten ablehnend.

Was bedeutet das für die Kirche? Die Ergebnisse sprechen von einer „Krise des religiösen Glaubens, der religiösen Praxis und der religiösen Kommunikation“. Das soziale Engagement der Kirche wird zwar nach wie vor geschätzt, gleichwohl stehen viele Menschen dem Glauben gleichgültig gegenüber.

Eine große Anzahl von Befragten zeigt jedoch die prägende Erfahrung des Konfirmationsunterrichts für Jugendliche auf.

Die Botschaft für die Kirchen ist klar: Um relevant zu bleiben, müssen sie sich den veränderten Bedürfnissen und Erwartungen der Menschen anpassen, ohne ihre Identität zu verlieren. Besonders im sozialen Bereich und durch die Jugendarbeit kann die Kirche weiterhin Brücken schlagen. 70 Prozent der evangelischen Befragten gaben an, dass die Konfirmation einen wesentlichen Einfluss auf ihre spätere Einstellung zu religiösen Fragen gehabt habe. Mit 64 Prozent steht die Mutter an zweiter Stelle, es folgt mit 45 Prozent der schulische  Religionsunterricht. Kasualien wie Taufe, Konfirmation, Trauung oder Beerdigung bieten ebenfalls noch Möglichkeiten, in Kontakt zu bleiben.

Doch es steht fest: Die Kirche wird sich grundlegend verändern müssen, um in einer zunehmend säkularen Gesellschaft Bestand zu haben.

Kurz gesagt: Während Gretchens Frage früher ein tief persönliches, existenzielles Thema berührte, wird Religion heute oft distanziert, pragmatisch oder gar ablehnend betrachtet – und das spiegelt sich in den Ergebnissen der Untersuchung wider.

"Was will ich – auf dem Hintergrund des heutigen Thema – als nächstes (ver-)lernen? und "An welcher Stelle rüttelt das heute Gehörte am meisten an einer meinen bisherigen Selbstverständlichkeiten?" Mit diesen Fragen stieß OKRn Dr. Erichsen-Wendt die Kleingruppendiskussionen der Teilnehmenden an.

Neben der Kleingruppendiskussion holte Dr. Erichsen-Wendt auch die Meinungen der Anwesenden zu zwei Fragen der KMU 6 ein, die diese live mit ihrem Handy abstimmen konnten. Die Abweichungen zu den Ergebnissen der KMU 6 selbst ordnete Dr. Erichsen-Wendt hinterher ein.

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) erhebt seit 50 Jahren Kirchenmitgliedschaftsuntersuchungen. Doch „die erste Mitgliedschaftsbefragung in der Geschichte des Christentums“ sei bereits von Jesus selbst ausgegangen, sagte Regionalbischöfin Dr. Adelheid Ruck-Schröder in ihrer Predigt (über Matthäus (16,13-20). Sie verwies dabei auf Jesu Frage: „Wer sagen die Leute, dass der Menschensohn sei?“ Jesus habe wissen wollen, was die Menschen über ihn denken, sowohl in der allgemeinen Öffentlichkeit als auch im engeren Kreis der Hochverbundenen.

Die Frage, was Christsein heute bedeute, stellte sie in den Raum: „Stoßen wir Menschen durch unsere Art zu reden vor den Kopf? Weniger reden, mehr tun – das ist prägnant christlich.“ Für viele sei die Kirche als Institution gerade im Umgang mit sexualisierter Gewalt zu einem "Stolperstein"  (Matthäus 16,23) geworden.

Nach dem Gottesdienst berichtete Regionalbischöfin Ruck-Schröder über positive Entwicklungen: Vor Kurzem sei das Ausbildungsnetzwerk Kirchenmusik gestartet. „Wir sind der erste und einzige Sprengel, der das hinbekommen hat“, sagte sie erfreut. Zudem stehe im Oktober die 35. Ordination im Sprengel an. Sie habe auch bereits die sechste Superintendentin, Cordula Trauner, in ihren drei Dienstjahren eingeführt.

Sie ging in ihrem Bericht auch auf einen Brief von ca. 300 kirchlich Mitarbeitenden ein, die einen grundlegenden Kulturwandel im Umgang mit sexualisierter Gewalt fordern. Im Juni habe es ein konstruktives Gespräch dazu gegeben. Im Sprengel sollen weitere Treffen stattfinden, unter anderem ein Fachtag zum Umgang mit sexualisierter Gewalt im Bereich der Kirchenmusik, aber auch zu theologischen Themen im Blick auf sexualisierte Gewalt.

Besonders wichtig sei die Erarbeitung von Schutzkonzepten in allen Bereichen der Kirche. Ein solches habe sie auch mit den Mitarbeitenden ihres Büros erarbeitet.

Auch Landesbischof Ralf Meister war Gast des Generalkonvents. Er informierte die Anwesenden über Entwicklungen der Landeskirche und ging dabei auch auf die Aufarbeitung und Prävention sexualisierter Gewalt ein.

Landesbischof Meister lud zudem die Besucher:innen des Generalkonvents dazu ein, im kommenden Jahr den Deutschen Evangelischen Kirchentag (DEKT) in Hannover mitzufeiern. Vom 30. April bis 4. Mai 2025 findet der DEKT zum Motto "Mutig - stark - beherzt" (1 Kor 16,13-14) statt.

Oberkirchenrat Andreas Zachmann berichtete über die Personalsituation und die anstehende Pensionierungswelle bis zum Jahr 2032. Hierzu sprach im Anschluss auch Pastor Gerhard Weber von der Pfarrvertretung.

Am Ende des Generalkonvents stand eine persönliche Reflexion im Mittelpunkt: Jede:r Teilnehmende wurde eingeladen, eine Erkenntnis des Tages auf eine „Erkenntnis-Karte“ zu schreiben. Diese Karten dienten nicht nur als persönlicher Impuls für den Weg nach Hause, sondern konnten auch digital festgehalten werden – ein Foto der Karte konnte direkt hochgeladen werden, um die Einsicht für sich oder andere sichtbar zu machen.

Dr. Erichsen-Wendt regte die Teilnehmenden mit zwei zentralen Fragen zur Diskussion an: „Was will ich – in Anbetracht des heutigen Themas – als Nächstes (ver-)lernen?“ und „Welche meiner bisherigen Überzeugungen wurde durch das Gehörte am meisten erschüttert?“ Eine Live-Umfrage zu zwei zentralen Fragen der KMU 6 ermöglichte es den Teilnehmenden, ihre Position im Vergleich zu den Studienergebnissen abzugeben, die anschließend von Dr. Erichsen-Wendt eingeordnet wurden.

Text: Sprengel Hildesheim-Göttingen/ gmu
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