40 Mal Lebensmittel und Wertschätzung für wohnungslose Menschen

Tue, 10 Sep 2024 22:00:00 +0000 von Bettina Sangerhausen

© Mike Wacker
Dank einer engagierten Spendenaktion von fünf angehenden Sozialarbeiterinnen kann die Straßensozialarbeit des Diakonieverbandes Göttingen-Münden in Göttingen (StraSo) am Tag der Wohnungslosen, heute am 11. September, 40 Beutel mit Lebensmitteln an Menschen ausgeben, die keine Wohnung haben. Die Räume der StraSo in Göttingen, Tilsiter Straße 2a, sind heute von 8:30 Uhr bis 11 Uhr geöffnet. Wohnungslose können sich dort einen Beutel abholen, solange der Vorrat reicht. Die Studentinnen bringen für diesen Anlass außerdem Kuchen vorbei.
Yordanos Siebert, Sonora Bijok, Cynthia Schwerdtfeger, Anna Ferrari und Melanie Jonson studieren an der Verwaltungs- und Wirtschafts-Akademie und Berufsakademie (VWA) Göttingen. Eine Studentin aus dem Kreis der Studierenden dieses Projektes kennt die Not der Wohnungslosen nicht nur aus der Theorie, sondern auch aus dem praktischen Teil ihres Studiums, den sie in einer sozialen Einrichtung leistet. Die Studierenden haben in Geschäften in Göttingen die Lebensmittel erbeten. Um sicherzustellen, dass in jedem Paket der gleiche Inhalt ist, hatten sie zusätzlich bei Freunden, Bekannten und in ihren Familien Geld gesammelt, um fehlende Lebensmittel dazu kaufen zu können. Außerdem haben sie Hygieneartikel und Hundefutter geschenkt bekommen, was beides nun ebenfalls bei der StraSo an Bedürftige ausgegeben werden kann.

„Durch die Aktion wollen wir den Menschen eine Stimme geben und die Gesellschaft auf das Thema Obdachlosigkeit aufmerksam machen,“ sagt Melanie Jonson, und Sonora Bijok ergänzt: „Ich glaube, dass jeder Mensch unverschuldet in solch eine Notlage geraten kann, allein deshalb möchte ich diesen Menschen Wertschätzung entgegenbringen.“

Beides, die guten Gaben in der Tüte und die Wertschätzung, kommen gut an. Ralf Bokelmann, einer der Empfänger, der aktuell tatsächlich obdachlos draußen schläft: „Man freut sich darüber schon sehr. Ich freue mich auch für die anderen Obdachlosen, dass die auch eine Tüte bekommen.“

Mike Wacker, Sozialpädagoge und Abteilungsleiter der StraSo, kennt die Probleme nur allzu gut und ist daher höchst dankbar für den Einsatz der fünf Frauen: „Solch eine wunderbare Spendenaktion soll direkt den Menschen helfen, die auf der Straße leben und sich in einer besonders prekären Lebenslage befinden. Gleichzeitig soll damit am Tag der Wohnungslosen die Gesellschaft auf die äußerst prekäre und immer schwierige Lebenslage von Wohnungslosen aufmerksam gemacht werden. Es gibt in Göttingen, wie in den meisten anderen Großstädten auch, viel zu wenig guten bezahlbaren Wohnraum. Deshalb muss die Politik handeln, um das selbstgesteckte Ziel, die Obdachlosigkeit bis zum Jahr 2030 zu beenden, tatsächlich zu erreichen. Auf der Prioritätenliste muss die Schaffung von erheblich mehr bezahlbarem Wohnraum zuvorderst stehen, denn Wohnungsnot ist teilweise sogar schon in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Jede wohnungslose Person erleidet ein dramatisches oft unfassbar schlimmes Einzelschicksal. Die Wohnraumfrage ist damit die drängendste soziale Frage der Gegenwart, die es mit vereinten Kräften zu lösen gilt.“ 

Mit dem bundesweiten Nationalen Aktionsplan gegen Wohnungslosigkeit, der vom Kabinett beschlossen wurde, wollen Bund, Länder und Kommunen bis zum Jahr 2030 die Wohnungslosigkeit überwinden. 

Die Zahlen zeigen, wie viel dafür noch zu tun ist: Für Stadt und Landkreis Göttingen erfasste die Statistik (Stichtag: 1. Januar 2023) 1350 Wohnungslose. Als wohnungslos gilt, wer keinen mietrechtlich abgesicherten Wohnraum hat. Der Begriff umfasst also auch all jene, die in Flüchtlingsunterkünften leben oder die bei Freunden, Bekannten oder in der Familie Unterschlupf gefunden habe. Letztere gelten als verdeckt wohnungslos, da sie in der fremden Wohnung nur geduldet sind und diese Duldung jederzeit enden kann. In Stadt und Landkreis Göttingen betrifft das etwa 430 Personen. Vor allem von Frauen in dieser Situation werden zudem oft „Gefälligkeiten“ als Gegenleistung für den Schlafplatz auf dem Sofa eingefordert. Ganz ohne ein Dach über dem Kopf, direkt auf der Straße, leben im Bereich Göttingen aktuell etwa 20 bis 30 Frauen und Männer, skizziert es Mike Wacker. 
Quelle: Mike Wacker
Gute Gaben und Wertschätzung (von links): Yordanos Siebert, Sonora Bijok, Ralf Bokelmann, Cynthia Schwerdtfeger, Anna Ferrari und Melanie Jonson.

Hilfe auf dem Weg aus der prekären Lebenslage

Die StraSo hilft mit ihrer Sozialberatung. Sie vermittelt u. a. in Notunterkünfte und versucht besonders, Sozialleistungen zu erwirken. Eine Wohnraumvermittlerin unterstützt zudem dabei, eine Wohnung zu finden. Ihre Teilzeitstelle wird über die Diakonie sowie über Spenden finanziert.

In den Räumen in der Tilsiter Straße in Göttingen gibt es eine Wärmestube, in der man sich zwanglos aufhalten kann, ein Mittagessen gibt´s für einen symbolischen Euro, Getränke für 20 Cent (Wasser gratis). Frühstück und Mittagessen werden ansonsten über Spendengelder finanziert. Eine Dusche steht zur Verfügung, und es kann Wäsche gewaschen und getrocknet werden. Ein Schneider – mit einer ebenfalls über Spenden eingerichteten Teilzeitstelle - repariert oder ändert kostenlos Kleidung.  In der Kleiderkammer können Bedürftige ihre Garderobe ergänzen. Die Streetworker der StraSo sind draußen unterwegs, kooperieren zum Beispiel auch mit dem Mittagstisch St. Michael. Die StraSo arbeitet zusammen mit zwei Anwälten und einer Schuldenberaterin. „Wir versuchen vielfältig, den Menschen aus ihrer prekären Lebenslage heraus zu helfen“, fasst es Mike Wacker zusammen.

Spenden, insbesondere monetäre, sind dabei immer willkommen, um alle Zusatzangebote weiter aufrecht erhalten zu können.  Ab Oktober wird auch eine neue Ehrenamtliche oder ein neuer Ehrenamtlicher gesucht, die oder der alle zwei Wochen im Küchenbetrieb mitarbeitet. Wer auf die eine oder andere Art die StraSo unterstützen möchte, kann sich an Mike Wacker wenden, erreichbar unter mike.wacker@evlka.de oder 0551/5179811.
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