Es war ein überschaubarer, relativ kleiner Kirchenkreis Münden, in dem Thomas Henning 1999 sein Amt als Superintendent antrat. Er erinnert sich noch, wie er sich damals in der Kirchenkreis-Konferenz in Landwehrhagen vorstellte. Heute, nach dem Zusammenschluss mit dem Kirchenkreis Göttingen, ist alles eine Nummer größer. Dieses Zusammengehen der Kirchenkreise war die gravierendste Veränderung in seiner Amtszeit, aber bei weitem nicht die einzige. Wenn Thomas Henning sich am Sonntag, 18. Juni, in den Ruhestand verabschiedet, kann er auf fast zweieinhalb Jahrzehnte voller Veränderungen zurückblicken. Der feierliche Gottesdienst mit Empfang zur Verabschiedung von Thomas Henning findet am Sonntag, 18. Juni 2023, ab 14 Uhr in Hann. Münden in der St. Blasius Kirche statt. Der Evangelisch-lutherische Kirchenkreis Göttingen-Münden und die Stadtkirchengemeinde Münden laden dazu ein.
24 Jahre voller Veränderungen
Bevor er Superintendent in Hann. Münden wurde, war Thomas Henning zwölf Jahre lang Pastor in der Gemeinde Heiligendorf, Kirchenkreis Wolfsburg. Dort hatte er die ersten Kürzungsrunden schon miterlebt, die bald darauf auch den Kirchenkreis Münden erreichten. Damit umzugehen, nennt er „eine wichtige Herausforderung“, viele Gespräche auf Kirchenkreis- und Gemeindeebene gestaltete er mit. Das sei nicht ohne Konflikte abgegangen. Frustrieren ließ er sich davon indes nicht und hält es mit dem Schmetterling, wenn er ein Laotse-Zitat frei abwandelt: „Das ist das Ende der Welt, sagte die Raupe. Das ist erst der Anfang, sagte der Schmetterling.“
„Es ist wichtig, eine Perspektive zu entwickeln, wohin man unterwegs ist. An den Gegebenheiten kann man selten etwas ändern, pragmatische Lösungen sind gefragt, den Blick nach vorn richten und sich nicht von der Vergangenheit bestimmen lassen“, ist seine Devise. Am Ende habe das dazu geführt, die Kirchenkreise Münden und Göttingen zusammen zu führen, „gemeinsam sind wir stärker.“
Gemeinsam statt allein, das Prinzip findet sich in vielen Bereichen, seitdem Mitglieder- und Stellenzahlen schrumpfen. Als Thomas Henning nach Hann. Münden kam gab es in der Kernstadt noch fünf Pastor*innen auf 3,75 Stellen. Heute sind es noch zwei Personen auf zwei Stellen. Ohne Zusammenarbeit mit Kolleg*innen aus den Nachbargemeinden gehe vieles nicht mehr.
Kirche werde sich in den nächsten Jahren weiter sehr verändern, aber es werde auch in Zukunft Kirche geben, auch, wenn diese vielleicht anders arbeiten werde. Dem noch jungen Kirchenkreis Göttingen-Münden wünscht er, ein Kirchenkreis zu sein, der diese Veränderungen möglich macht, unterstützt und der die Menschen mitnimmt.
Superintendent sein, das heißt nicht nur, zusammen mit dem Kirchenkreisvorstand den Kirchenkreis zu leiten, Dienstvorgesetzter der Pastor*innen zu sein und Anstellungsträger gegenüber den Mitarbeiter*innen im Diakonischen Werk, sondern auch, als Mittelsmann und Bindeglied zwischen Gemeinden, Kolleg*innen und dem Landeskirchenamt zu agieren. Dazu kommt die geistliche Leitung des Kirchenkreises, also das, was Kirche inhaltlich ausmacht. Thomas Henning war immer derjenige, der angesprochen wurde, wenn irgendwo etwas nicht rund lief.
Er hatte zudem lange einen Stellenanteil als Pastor in der Stadtkirchengemeinde Münden inne und damit den direkten Kontakt zu den Gemeindegliedern. „Das war immer wichtig, weil es ein Stück Erdung ist“, sagt er. Als Pastor bekomme man nicht oft ein Feedback, daher habe es ihn immer sehr gefreut, wenn eines kam, wenn etwa nach einer Beerdigung jemand sagte „da haben Sie unsere Mutter gut getroffen“ oder „das hat uns getröstet.“ Es sei schön, einfach mit den Menschen im Gespräch zu sein.
Gerne mittendrin
In bester Erinnerung sind ihm die zwei Stadtkirchentage auf dem Mündener Kirchplatz, ökumenisch gefeiert mit großem Aufwand, „wie ein Kirchentag im Kleinen“. Oder der Kirchenkreissonntag in Dransfeld, bei dem die Hauptamtlichen, inklusive Superintendent, als Models über den Laufsteg gingen – sie zeigten Mode aus der Kleiderkammer, die es damals in Hann. Münden noch gab.
An die Nacht der Kirchen denkt er gern zurück, als in der leer geräumten St. Blasius Kirche im Halbstundentakt Gruppen aus Hann. Münden auftraten, und wie die Red Stars dabei die Kirchenmauern erbeben ließen. Die Kirchentüren standen die ganze Zeit offen, jeder konnte kommen und gehen, wie er oder sie mochte. Ein „tolles Gruppenerlebnis“ nennt er die einwöchige Kirchenkreis-Konferenz in Rom.
Bewegend war der ökumenische Gottesdienst mit dem Imam der Mündener Ditib-Gemeinde in St. Blasius nach der Brandnacht im Mai 2008. Betroffene, Rettungskräfte und viele solidarische Mündener*innen nahmen daran teil. „Das hilft, so etwas zu überstehen und zu verarbeiten.“
Zum Kloster Bursfelde, wo er auch einmal Vorsitzender der Stiftung war, hat Thomas Henning eine besondere Verbindung. Bis 2007 war es ein Tagungshaus des Kirchenkreises Münden. Mit dem Leitungsteam, dem Abt von Bursfelde, der Klosterkammer und dem Landeskirchenamt entwickelte er eine neue Zukunft für das alte Gemäuer.
Die Hospizarbeit liegt ihm am Herzen. Aktuell ist Thomas Henning 2. Vorsitzender der Bürgerstiftung Ambulantes und Stationäres Hospiz Hann. Münden. Es sei wichtig, sich ehrenamtlich zu engagieren, sagt er. Auch im Ruhestand werde er weiter in der Bürgerstiftung mitarbeiten.
In Laubach hat er im Team mit den Ehrenamtlichen die neue Gottesdienstform „Ausatmen“ entwickelt. Hier arbeiten Evangelisch-lutherische und reformierte Kirchengemeinde zusammen. „Die Gottesdienste werden nicht abwechselnd nebeneinanderher gefeiert, sondern gemeinsam. Dadurch ist das für die Gemeinde deutlich attraktiver geworden“, skizziert es Henning.
Was plant er für die Zeit nach der Berufstätigkeit? „Ich habe jetzt kein Seminar besucht zur Vorbereitung auf den Ruhestand“, sagt er schmunzelnd. „Ich mache ein Jahr lang nichts und schaue, was in der Zeit entsteht.“