Die Grenzen zwischen Tuschezeichnung und geklöppelter Darstellung verwischen, Bilder treten mal dreidimensional aus ihrem Untergrund hervor, fügen sich ordentlich in die Form eines Kirchenfensters oder kommen ganz ohne Rahmen aus: Was die fünf Klöppelkünstlerinnen von Lace Artists 5.0 bis zum 29. September 2024 in ihrer Ausstellung in der Hann. Mündener St. Blasius Kirche zeigen, hat mit Spitzenkragen oder Zierdeckchen nichts mehr zu tun. „Aspekte des Lebens“ ist die Ausstellung überschrieben und widmet sich dem Thema Märchen. Die Künstlerinnen Barbara Corbet, Katja Grieb, Ute Klug, Cordula Pröfrock und Hildegard Rees verbinden hier das alte Handwerk des Klöppelns mit der Kunst. Die Ausstellung in St. Blasius, Ziegelstraße 16, kann täglich zwischen 11 und 17 Uhr besucht werden. Der Eintritt ist frei.
Es sei einfach faszinierend, wie aus zwei einfachen Bewegungen – Drehen und Kreuzen – eine schier unendliche Vielfalt entstehe, beschreibt es Barbara Corbet, das sei wie „Malen mit Fäden“. Die Künstlerinnen nutzen dazu praktisch alles, was sich in Form eines Fadens verarbeiten lässt, nicht nur Leinen, Baumwolle, Effektgarn und Acryl, auch Stroh, Golddraht und anderes mehr. Collageartig kommen weitere Materialien hinzu, die Wasserpflanzen der Märchenfigur „die schöne Lau“ bekommen etwa mit Metalldrehspänen den besonderen Effekt und das mit Fäden gemalte Bild eine dritte Dimension.
Am Anfang der Ausstellung stand die Auseinandersetzung mit der eigenen Endlichkeit, beschreiben es die Künstlerinnen. Unter den Aspekten „Wir verbinden“, „Wir erblicken“, „Wir glauben“, „Wir erzählen Märchen“ und „Wir sind beschützt“ stecken ihre Arbeiten voller Symbolik. Beispiel „Wir verbinden“: Tusche und Kalligrafie kamen aus Asien und brachten zugleich ein Stück chinesische Kultur mit. So, wie diese Eingang in die europäische Kultur fand und sich mit ihr verband, verbinden sich in den Arbeiten der Künstlerinnen asiatische und europäische Stilmittel.
Die Lace Artists 5.0. fanden einander vor etwa drei Jahren mit und durch Barbara Corbet, die das Klöppeln unterrichtet. Aus dem Wunsch, selbst zu entwerfen und sich gemeinsam einem Thema zu stellen, entstand die Zusammenarbeit.
Klöppelanregungen habe sie schon als Jugendliche in Handarbeitsheften gefunden, sagt Barbara Corbet. Aber erst der Besuch einer Ausstellung der Klöppelkünstlerin Barbara Saupe gab den Ausschlag. Am Anfang steht eine Zeichnung, dann werden die Klöppelkissen gesteckt. Für ihre Kirchenfenster-Motive habe sie so rund 250 Klöppel gebraucht, sagt Barbara Corbet. Und dann: 80 bis 120 Stunden Arbeit. Mal sei die Vorbereitung der aufwendigere Teil der Arbeit, mal sei diese eher schlicht, und dann entstehe das Muster beim Klöppeln. Die plastisch gearbeiteten Bilder bestehen aus mehreren Teilen, die nach dem Klöppeln zusammengesetzt werden. Auf jeden Fall sei das Entwickeln und Umsetzen einer Idee ein „sehr kreativer Prozess, der sehr viel Freude macht“.
Viel Freude können auch die Besucher*innen haben - beim Entdecken der vielen Details, die in den Bildern stecken, und beim Lesen der Gedanken, die dazu gehören.